DOCUMENTA MATHEMATICA


Journalbetrieb   Kostenanalyse   Zugriffsstatistik   Copyright   English Version

So wie im 15.Jahrhundert Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks ein neues Zeitalter in der Wissensvermittlung einleitete, so hat im 20.Jahrhundert die Erfindung des Computers wiederum zu einem Umbruch in ein modernes Zeitalter mit neuen Kommunikations- und Informationsstrukturen geführt. Die enormen Möglichkeiten, die die elektronische Datenverarbeitung bietet, werden weitgehend auch von Wissenschaftlern genutzt, und deren Computerarbeitsplätze sind weltweit vernetzt. Für die Herstellung und Verbreitung wissenschaftlicher Zeitschriften haben sich dadurch neue arbeits- und kostensparende Möglichkeiten ergeben.

Seit Mai 1996 gibt es im Internet die wissenschaftliche Zeitschrift DOCUMENTA MATHEMATICA. Ihr Server ist auf je einem Rechner in Bielefeld und Urbana (Illinois, USA) mit den URLs

http://www.mathematik.uni-bielefeld.de/documenta/

http://www.math.uiuc.edu/documenta/

installiert. Die Artikel werden simultan in beide Rechner eingestellt und veröffentlicht. Sie werden dann zusätzlich im Server der Europäischen Mathematischen Gesellschaft EMIS gespiegelt, der seinerseits wiederum an mehr als 35 Orten in der Welt gespiegelt wird, so dass überall schnell auf die Artikel elektronisch zugegriffen werden kann. Einmal jährlich erscheint eine gedruckte Ausgabe, deren Vorlage von der Druckerei direkt aus dem Internet abgeholt wird.

1. Journalbetrieb

DOCUMENTA MATHEMATICA steht allen mathematischen Teilgebieten offen. Die Autoren senden ihr Manuskript per email als TeX-Datei an einen fachlich nahestehenden Herausgeber, der dann wiederum per email dafür sorgt, dass die Arbeit innerhalb einer vorgegebenen Frist anonym im Peer Review-Verfahren begutachtet wird.

Gleich nach Annahme einer Arbeit geht diese dem Autor per email fertig formatiert mit den endgültigen Seitenzahlen zur Ansicht zu. Sobald der Autor das Recht zur Veröffentlichung an DOCUMENTA MATHEMATICA übertragen hat, erscheint seine Arbeit im Internet und später auch in der gedruckten Jahresausgabe. Ergänzend ist eine CD ROM mit allen Bänden leicht herzustellen.

Dass die Artikel gleich nach Annahme im DOCUMENTA-Style vorliegen, liegt an den vier Stylefiles, die der Technische Herausgeber ULF REHMANN entwickelt hat. Diese werden im DOCUMENTA-Server unter der Rubrik Hinweise für Autoren in den vier TeX-Dialekten PlainTeX, AMS-TeX, LaTeX2.09 und LaTeX2e angeboten und den TeX-Dokumenten wahlweise voranstellt. Die DOCUMENTA-Stylefiles sind auf drei Gesichtspunkte hin entworfen:

Mit Hilfe dieser Stylefiles sind auch die ICM Abstracts für den Internationalen Mathematiker Kongress ICM 1998 in einem einheitlichen Layout hergestellt. Die ICM Proceedings 1998 sind als Sonderausgabe von DOCUMENTA MATHEMATICA erschienen, und dank neuer elektronischer Produktionsmöglichkeiten standen (erstmals in der 100-jährigen Geschichte des ICM) zwei von drei Bänden bereits während des Kongresses zur Verfügung - und zwar als Bücher. Band 1 mit Berichten von der Eröffnungszeremonie, von Preisverleihungen und den Plenarvorträgen erschien dann auch noch im selben Jahr 1998.

DOCUMENTA MATHEMATICA wird elektronisch produziert - vom Einreichen der Manuskripte bis hin zum Digitaldruck der Jahrgangsbände. Dadurch sind nicht nur die Zeitspannen zwischen Einreichen und Erscheinen wesentlich kürzer als bei vielen anderen Zeitschriften, sondern auch der von den Herausgebern zu leistende Arbeitsaufwand ist geringer. Es gibt eine ständige elektronische Herausgeberkonferenz: die Herausgeber können sämtlich jederzeit per geschütztem Internetzugang die eingereichten Artikel, die gerade begutachtet werden, lesen und kommentieren; Reisen zu Herausgeberkonferenzen entfallen. Der gesamte Schriftverkehr wird zusammen mit der sonstigen email erledigt. Dadurch ist es für die Herausgeber auch leichter, wissenschaftliche Qualität zu gewährleisten, denn die Gutachter können weltweit nach Eignung ausgesucht werden, ohne Verzögerung durch lange Postwege hinnehmen zu müssen.

Die zur Herstellung der Internet-Ausgabe von DOCUMENTA MATHEMATICA (inklusive Druckvorlage) erforderlichen technischen Arbeiten sind mittels eines leicht zu handhabenden professionellen Software-Paketes (Autor: ULF REHMANN) weitgehend automatisiert und können bequem vom Technischen Geschäftsführenden Herausgeber geleistet werden. Zum Beispiel bewirkt ein einziger Tastendruck zur TeX-Datei einer zu veröffentlichenden Arbeit folgendes:

  1. Der Abstract wird als html-Datei erstellt.
  2. Das html- und das ps-Inhaltsverzeichnis werden aktualisiert und die Seitenzahlen passend eingesetzt.
  3. Die abgeleiteten Formate wie dvi und ps werden erzeugt und deren Größe angegeben.
  4. Der Gesamtband wird aktualisiert.
Durch einen zweiten Tastendruck wird dann die Arbeit simultan in die Server in Bielefeld und Urbana eingestellt; sie ist dann bereits im DOCUMENTA-Style mit den endgültigen Seitenzahlen veröffentlicht.

Die Jahrgangsbände werden in einer Druckerei in Rosenheim gedruckt und sind sehr preisgünstig zu erwerben. Bestellformulare (ps, ascii) gibt es im DOCUMENTA-Server.

2. Kostenanalyse

Die Preise mathematischer Zeitschriften sind in den letzten Jahren weiter stark angestiegen. Viele Bibliotheken mathematischer Fachbreiche sehen sich zu Abbestellungen genötigt oder können kaum noch Monographien anschaffen, obwohl diese für die Ausbildung der Studierenden dringend gebraucht werden. Vergleicht man die Preise einzelner Zeitschriften, so fällt auf, dass Zeitschriften kommerzieller Verlage in der Regel teurer sind (manche um 5000 DM pro Jahr) als Zeitschriften von Universitätsverlagen.

Welche Kosten entstehen der Universität Bielefeld dadurch, dass dort DOCUMENTA MATHEMATICA hergestellt und im Internet veröffentlicht wird?

Weil DOCUMENTA MATHEMATICA elektronisch produziert wird, fallen Porto-, Papier-, Kopier- oder Reisekosten nicht an. Ebenso sind keine Kosten für die benutzten Werkzeuge und Hilfsmittel wie TeX , Emacs, Ghostview oder Netscape anzusetzen, da diese in der Regel an mathematischen Fachbereichen zur Verfügung stehen und turnusmäßig aktualisiert werden.

Durch den Journalbetrieb wird weniger als 2% der Leistung eines PCs in Anspruch genommen. Da die meisten Wissenschaftler-Arbeitsplätze heutzutage mit einem Rechner ausgestattet sind und der Journalbetrieb praktisch keine Beeinträchtigung darstellt, fallen keine Investitionskosten an. Um eine Vorstellung zu vermitteln: derzeit, nach 40 Monaten Betrieb, belegt der DOCUMENTA-Server 165 Megabyte auf einer 10 Gigabyte-Festplatte. Es sei hier jetzt eine Produktions- und Betriebskostenberechnung durchgeführt. Dabei sind folgende vier Positionen anzusetzen:

  1. Abschreibungs- und Betriebskosten für den PC: Der Preis für den PC beträgt z.Z. inklusive Software, Backup-System und Garantie für 5 Jahre (Abschreibungszeitraum) ca. 5000 DM. Hiervon 2%, verteilt auf 5 Jahre, sind 20 DM Abschreibungskosten pro Jahr. Die Stromkosten betragen (bei 0,25KW Leistung und 365x24 Stunden Betrieb, 0,18DM je KWh), also 2%-anteilig 7,88 DM pro Jahr. Der Speicherplatzbedarf kann auch langfristig reichlich gedeckt werden: der Preis für 1 Gigabyte Speicher beträgt z.Z. knapp 90 DM bei fallender Preistendenz.
  2. Netzkosten für den Server-Betrieb: Derzeit zahlt die Universität Bielefeld eine Netzkostenpauschale, die sich durch den DOCUMENTA-Serverbetrieb nicht erhöht. Legt man aber dennoch die Pauschale um, so hat man von ungefähr 100 DM für die Übertragung pro Gigabyte auszugehen (und ab nächstem Jahr nach einer Umstellung voraussichtlich nur noch von 25 DM pro Gigabyte). In den 40 Monaten Serverbetrieb wurden rund 8 Gigabyte übertragen, also durchschnittlich 0,2 Gigabyte pro Monat. Dies ergibt einen Betrag von durchschnittlich 20 DM pro Monat.
  3. Editionskosten: Die Autoren, Herausgeber und Gutachter arbeiten ehrenamtlich, so wie es bei mathematischen Zeitschriften meist üblich ist.
  4. Technische Personalkosten: Die zur Herstellung erforderlichen technischen Arbeiten - wie Manuskript-Anpassung - sind weitgehend automatisiert, so dass hierfür keine Hilfskraft benötigt wird, im Gegenteil: selbst per Tastendruck eine Arbeit einzustellen, bedeutet weniger Aufwand, als eine Hilfskraft dazu anzuweisen und später nachsehen zu müssen, ob dies auch ausgeführt wurde. Die Herstellungsarbeiten kann der Technische Geschäftsführende Herausgeber bequem mittels der DOCUMENTA-Software leisten. Er hat dann immer noch einen geringeren Arbeitsaufwand als viele Herausgeber konventionell produzierter Zeitschriften.

Es ergibt sich also pro Jahr inklusive verdeckter Kosten eine Summe von ca. 400 DM. Bei einer im Mai 1995 erstellten langfristigen Kostenperspektive wurde dafür noch die Summe 2505 DM prognostiziert.

 PrognoseKosten
Abschreibung, Strom, Speicher 660 DM42 DM
Netzkosten665 DM240 DM
Technische Personalkosten für Edition780 DMmarginal
Personalkosten für Wartung des Rechners400 DMmarginal
Summe2505 DMca. 400 DM

Der Unterschied ergibt sich dadurch, dass die Software ausgereifter geworden ist, dass ein PC als Server-Rechner benutzt werden kann und die Hardware- und Betriebskosten gesunken sind bei stark angestiegenen Kapazitäten. Diese Tendenz wird sich in Zukunft - im Informationszeitalter - noch fortsetzen, so dass die Produktionskosten weiter marginalisiert werden.

3. Zugriffsstatistik

Die neuen effizienten Produktions- und Distributionsmethoden ermöglichen es, dass mathematische Zeitschriften nicht im voraus und auch nicht über mehrere Jahre hinweg abonniert werden müssen. Der Leser kann Abstracts und häufig auch Volltexte im Internet einsehen und daraufhin entscheiden, welche Artikel für ihn interessant sind und welchen Band er gern auch gedruckt haben möchte. Eine Übersicht über die verschiedenen Zeitschriften-Angebote findet man beispielsweise in den Listen aus Osnabrück und Regensburg.

Von DOCUMENTA MATHEMATICA wird außerdem die Möglichkeit zur Subscription angeboten, d.h. Subscribenten erhalten automatisch eine email-Nachricht mit Titel und Abstract, wenn eine neue DOCUMENTA-Arbeit im Internet erscheint.

Die DOCUMENTA-Zugriffsstatistik zeigt, dass jeder Artikel seit Bestehen der Zeitschrift im Durchschnitt zweimal innerhalb von drei Tagen aus Bielefeld oder Urbana abgerufen wird; nicht mitgezählt sind dabei: Zugriffe auf Abstracts, automatisierte Zugriffe von Datenbanken und sämtliche Zugriffe auf die vielen Spiegel der Europäischen Mathematischen Gesellschaft.

Die sehr positive Entwicklung zeigt sich auch in einer Grafik über die monatlichen Zugriffszahlen. Dabei sind die Zugriffe auf Artikel in dvi- und ps-Format rot und die ausgelieferte Datenmenge in 100-Kilobyte-Einheiten grün gekennzeichnet. Der starke Anstieg im Juli 1998 ist durch das Erscheinen der ICM-Proceedings-Bände 2 und 3 zu erklären. Im Oktober erschien dann auch Band 1, der viele Bilder und Grafiken enthält; dies erklärt die vergleichsweise große Datenmenge im Oktober 1998.

Nicht berücksichtigt sind in dieser Tabelle die Zugriffe auf die Gesamtbände. Dadurch kommen noch folgende Zugriffszahlen hinzu: 765 für Band 1-96, 553 für Band 2-97 und 737 für Band 3-98.

4. Copyright

DOCUMENTA MATHEMATICA hat eine autorenfreundliche Copyright-Politik. Der Autor gibt der Zeitschrift lediglich das Einverständnis zur Verbreitung seines Artikels, behält aber das Copyright unter der Bedingung, dass bei Wiederveröffentlichung die Originalveröffentlichung in DOCUMENTA MATHEMATICA korrekt zitiert wird.


DOCUMENTA MATHEMATICA besteht seit 40 Monaten. Wie dieser Bericht zeigt, hat sich hier das von der DMV in zahlreichen Veröffentlichungen postulierte Verteilte Informationssystem, nämlich örtliche Resourcen untereinander und weltweit nutzbar zu machen, eindrucksvoll bewährt.

31.8.1999: A.K.Louis, P.Schneider, U.Rehmann,
Geschäftsführende Herausgeber von DOCUMENTA MATHEMATICA.