Resolution der Konferenz der Mathematischen Fachbereiche 1998 zur elektronischen Veröffentlichung von Dissertationen

Auf Antrag von Prof. Dr. Günter Törner (Duisburg):

Wie bereits auf der 22. Plenarsitzung durch Prof. Dr. Grötschel und den Antragsteller berichtet wurde, vollziehen sich derzeit in unserer Community wesentliche, unaufhaltbare Veränderungen, die durch die Fortschritte in der elektronischen Kommunikation und Publikation bedingt sind. Es ist entscheidend, daß die Gesamtheit der mathematischen Fachbereiche in Abstimmung mit anderen Communities diese Veränderungen positiv mitgestaltend begleiten. Es wird bereits jetzt deutlich, daß davon kurzfristig auch die Promotionsverfahren betroffen sein werden. Man beachte, daß derzeit durch die Deutsche Bibliothek (Frankfurt, Leipzig) (DDB) mehr als 27.000 Dissertationen pro Jahr zu erfassen sind.

Gemäß den (nicht einheitlichen) Auflagen der universitätsinternen Promotionsordnungen müssen bislang Belegexemplare in einer hinreichenden Zahl den Universitätsbibliotheken zur Verfügung gestellt werden, wodurch die Dissertation erst danach als veröffentlicht eingestuft werden kann. Einzelne Hochschulen haben bereits durch Senatsbeschluß (HU Berlin, Universität Oldenburg, Universität Hamburg) entschieden, daß bei Erfülltsein unter gewissen Zusatzbedingungen auch eine elektronische Verbreitung als äquivalent einzustufen ist. Dafür hat die Kultusministerkonferenz (KMK) mit ihrer Entscheidung von Januar 1998 die Wege geöffnet. Parallel dazu laufen bereits bei der Deutschen Bibliothek (DDB) wie auch bei den Sondersammelbibliotheken, z.B. SUB Göttingen, entsprechende Vorbereitungen, Dissertationen elektronisch zu archivieren und zugänglich zu machen. Schließlich hat die DFG mit der Zuweisung eines Projektes Dissertation Online an fünf der IuK-Gesellschaften dieser grundsätzlichen Öffnung des Publikationsverfahrens von Dissertationen ihr grundsätzliches Interesse bekundet.

Der Antragsteller bittet daher um folgenden Beschluß.

Resolution: Die KMathF unterstützt die Arbeiten der AG Dissertationen Online der Initiative IuK (Information und Kommunikation) der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland, die eine bundesweit einheitliche und fächerübergreifende Behandlung von elektronischen Informationen zu Dissertationen an wissenschaftlichen Hochschulen zum Ziel haben. Dieses Vorhaben schließt auch die grundsätzliche Anerkennung eventueller elektronischer Fassungen der Dissertationen ein.

Sie legt Wert auf die folgenden Grundsätze:

  1. Dissertationen dienen dem Nachweis der selbständigen wissenschaftlichen Arbeit im Fach Mathematik. Dissertationen sind daher vom Promovenden beim Fachbereich (eventuell vertreten durch dessen Promotionsausschuß) einzureichen. Dieser beschließt über die Annahme der Arbeit. Hierzu gehört auch die Prüfung der begutachtbaren Form sowie die Festlegung der elektronischen Informationen ("Metadaten"), insbesondere Name des Doktoranden, Thema, Gutachter, Promotionsdatum, fachspezifische Schlagworte.
  2. Elektronische Veröffentlichungen müssen möglich sein, wenn der Promovend entsprechende, vom Fachbereich / Fakultät und der lokalen Bibliothek (für die Pilotphase noch flexible) zu vereinbarende Grundsätze erfüllt. Dazu gehört eine vorläufige Abstimmung über zulässige Formate und die Bereitstellung entsprechender Metadaten.
  3. Die lokale Bibliothek darf die Dissertationen auf dem Netz anbieten, wenn das Einverständnis des Doktoranden vorliegt oder auf Abgabe von Pflichtexemplaren verzichtet werden soll. Es ist festzulegen, unter welchen Bedingungen die Bibliothek bei einer Verbreitung der Dissertation über das Netz dem Fachbereich bescheinigt, daß im Sinne der Promotionsordnung der Publikationspflicht genüge getan ist.
  4. Veränderungen der Promotionsordnungen wie auch das Procedere des Verfahrensgangs sind mit Blick auf zukünftige Regelungen für elektronische Veröffentlichungen offen zu gestalten.
Erfahrungen, Rückfragen und Anregungen sollten an die Verantwortlichen der Teilprojekte des o.g. DFG-Vorhabens "Dissertationen Online" gesandt werden. Die hier beteiligten Kolleginnen und Kollegen sehen es als ihre Aufgabe an, in Jahresfrist praktikable bundesweite Regelungen in Abstimmung mit den zentralen Bibliotheken zu erzielen.


Verabschiedet von der 23.Plenarversammlung der KMathF bei einer Gegenstimme und 12 Enthaltungen am 23.5.1998.