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Reform der Lehrerausbildung in Mathematik

Über den Beruf des Gymnasiallehrers und über die Ansprüche an die Universitätsausbildung aus der Sicht der Schule

von Arnold a Campo, Oberstudiendirektor, Hagen, Bundesvorsitzender des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU)

Die veränderten Anforderungen an einen Mathematiklehrer in der aktuellen gesellschaftlichen Situation müssen in der Ausbildung an den Universitäten Berücksichtigung finden. 6 Kategorien kennzeichnen den Lehrerberuf heutzutage:

  1. das Unterrichten
  2. das Erziehen
  3. das Beraten
  4. das Beurteilen
  5. das Innovieren
  6. das Organisieren, Verwalten, Berichten.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verschieben die Gewichte innerhalb der Kategorien zu Ungunsten des Unterrichtens. Der Schwerpunkt der Universitätsausbildung muss trotzdem im Unterrichten und Innovieren sowie additiv im Erziehen liegen.

Das Gymnasium braucht uneingeschränkt mathematisch hervorragend ausgebildete Lehrer. Sie müssen examensrelevant nachweisen, dass sie mathematisch wissenschaftlich arbeiten können. Sie brauchen aber nicht den Ausbildungsstand eines Diplommathematikers zu haben. Die Ansicht: " ein guter Mathematiker wird sich die fehlenden Qualifikationen für den Lehrerberuf schon schnell selbst aneignen können" ist aus der Erfahrung der Studienseminare und Schulen im Allgemeinen falsch. Ebenso unsinnig ist der Umkehrschluss, dass ein als Erzieher und Sozialarbeiter ausgebildeter Lehrer die am Gymnasium notwendige Mathematik sich schon aneignen kann. Es wird höchste Zeit, die öffentliche Diskussion über diese von großem Egoismus geprägten Standpunkte ersatzlos abzubrechen.

Die Lehramtsstudenten müssen zusätzlich zur sinnvollen Fachausbildung angemessen fachdidaktisch, medienmethodisch und erziehungswissenschaftlich qualifiziert werden. Der Gedanke an einen Lehrer mit nur einem Fach sollte wegen der beschränkten Einsetzbarkeit im Beruf und der zu befürchtenden Einseitigkeit nicht weiterverfolgt werden, insbesondere nicht in Zeiten, in denen fachübergreifende und fächerverbindende Curricula Vorrang vor anderen Überlegungen haben..

Vielmehr muss über Synergieeffekte im Studium und Beruf durch die Kopplung affiner Fächer befunden werden. Der Mangel an qualifizierten Lehrern in Mathematik an den Gymnasien wird sich in einem dramatischen Umfang zuspitzen. Politische Überlegungen gehen bereits von einem nicht zu vermeidenden fachfremd erteilten Unterricht aus. Deswegen müssen alle Anstrengungen der Hochschulen dahin gehen, zügig fachlich und fachdidaktisch und medienmethodisch qualifizierten Nachwuchs hervorzubringen. Nach meiner Einschätzung sind dazu strukturelle Veränderungen (wie z.B. das Studium in einen fachwissenschaftlichen Teil und einen darauf folgenden erziehungswissenschaftlichen Teil zu spalten) ebenso kontraproduktiv wie überzogene fachwissenschaftliche Anforderungen.

Aus dem bislang Dargelegten ergeben sich für mich folgende Forderungen an die Ausbildungsgestaltung an den Hochschulen:

  1. Die Ausbildung von Lehrern muss genauso ernst genommen werden wie die der Diplomanden.
  2. Im Interesse einer guten fachlichen Bildung sollten Lehramtsstudenten und Diplomstudenten an den Anfängervorlesungen gemeinsam teilnehmen. Da Personalressourcen fehlen, wird ohnehin nichts anderes übrig bleiben.
  3. Lehramtsstudenten müssen forschungsorientiertes, wissenschaftliches Arbeiten exemplarisch kennen lernen und nachweisen.
  4. Für mittlere Semester müssen eigene Vorlesungen mit Überblickscharakter konzipiert werden.
  5. Das Lehrangebot muss fachübergreifende Teile enthalten und auf Anwendungen der Mathematik hinzielen.
  6. Examensrelevant müssen sich Studenten mit dem fachdidaktisch verantwortbaren sinnvollen Einsatz der Neuen Medien in alten und neuen Zusammenhängen auseinandersetzen. Durch das Zusammenwirken affiner Fachschaften lassen sich Synergieeffekte erzielen. Dazu müssen vielfältige Angebote gemacht werden.
  7. Fachdidaktische und schulpraktische Veranstaltungen müssen frühzeitig ( etwa ab dem dritten Semester) erfolgen.
  8. Ausbildung und Fortbildung müssen enger verzahnt werden. Ein Austausch (auch personell) zwischen Hochschulen, Studienseminaren und Schulen muss gewinnbringend und effektiv systematisch aufgebaut werden.
Fazit: Wenn die Hochschule sich fordern lässt, die Lehrerausbildung im oben beschriebenen Sinn zu verändern und zu fördern, dann wird sich der Mathematikunterricht in Deutschland durch angemessen ausgebildete, fachlich und fachdidaktisch sowie medienmethodisch versierte, für Innovationen offene Lehrkräfte schon bald grundlegend positiv zur Zufriedenheit der "Abnehmer" verändern lassen.

Die Probleme, die sich für das Unterrichten von und Begeistern für Mathematik durch die vielen außerunterrichtlichen Aufgaben und Belastungen des Lehrers ergeben, müssen schnellstens gesellschaftlich und politisch gelöst werden. Der Lehrer muss sich auf die ersten fünf der oben genannten sechs Kategorien seiner Tätigkeit vorrangig zurückbesinnen dürfen.


10.12.2002.   www.mathematik.uni-bielefeld.de/KMathF/standpunkte/

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